Eine Zeit geht zu Ende – die 12. Klasse spielt Tschechows Kirschgarten
Wann ein Menschenleben beginnt und wann es endet, ist eindeutig markiert durch Geburt und Tod. Wann eine Generation in die andere übergeht, ist auch noch einigermaßen zu bestimmen. Wann aber endet eine Zeit? Wir benutzen im Alltag die Redewendung, dass die Zeiten sich ändern, oder auch, dass eine Zeit jetzt wohl vorbei sei. Wir wissen nicht genau, was wir eigentlich damit meinen. Manchmal geht so eine Bemerkung auch hervor aus einer unbestimmten Sehnsucht nach einer heilen, harmonischen und friedlichen Vergangenheit, die früher einmal war.
Um diese Frage geht es in Tschechows Stück, welches 1904 zum ersten Mal aufgeführt wurde. Die Gutsbesitzerin Ljubow Andrejewna Ranjewskaja kehrt mit ihrer Tochter nach einem mehrjährigen Aufenthalt in Frankreich auf ihr Gut in Russland zurück. Zum Gut gehört ein alter, wunderschöner Kirschgarten. Jedoch das Anwesen ist hoffnungslos verschuldet. Lopachin, ein ehemaliger Leibeigener der Gutsbesitzerin, der nun zu Reichtum gelangt ist, rät ihr, den Besitz zu verpachten und Sommerhäuser für Sommergäste darauf zu bauen. Die Gutsbesitzerin kann sich nicht dazu entschließen. So verrinnen die Zeit und die Dynamik einer im Grunde statischen Handlung läuft aufs Unvermeidliche hinaus.
Dieser tragikomische Balanceakt wird von Tschechow auf wundervoll menschliche Weise entfaltet. Schönheit, Poesie und Tragik einer Lebensform, die ihren Herbst erlebt, werden in ihrer anrührenden Zartheit und Verletzlichkeit durch die lebensecht gezeichneten Figuren lebendig gemacht. Diese Lebensform sieht sich, verkörpert durch Lopachin, einer neuen Denkungsart gegenüber, die auf Nützlichkeit und Profit ausgerichtet ist. Beide Haltungen stehen sich unvermittelt, ja fassungslos gegenüber. Ein gestalteter Übergang von einer Zeit in die andere scheint nicht möglich und das Alte stirbt unbehaust im kühlen Wind einer neuen Zeit.
Es erwartet Sie ein stimmungs- und anspruchsvolles Theatererlebnis. Die Schülerinnen und Schüler der 12. Klasse haben mit Hingabe an den außergewöhnlich differenzierten, feinen und nuancenreichen schauspielerischen Aufgaben gearbeitet, die dieses Stück stellt. Die Proben waren auf diese Weise auch eine ganz praktische Auseinandersetzung mit der Frage: Was ist der Mensch? In diese Frage sich schauspielernd zu vertiefen war in den letzten Monaten unser täglich Brot und es ist uns vielleicht ein bisschen klarer geworden, dass der Mensch immer noch mehr ist als das, was man von ihm begreifen kann.
Wir freuen uns auf Ihren Besuch zu folgenden Vorstellungen. Karten können ab sofort unentgeltlich im Schulbüro abgeholt/reserviert werden.
Donnerstag, 16. November, 19.30 Uhr
Freitag, 17. November, 19.30 Uhr
Samstag, 18. November, 19.30 Uhr
Sonntag, 19. November, 17 Uhr
Im Namen der 12. Klasse grüßt Sie von Herzen,
Stefan Weishaupt