Auch Jungen lernen Stricken
Alle Waldorfschüler, Jungen wie Mädchen, haben gemeinsam von der ersten bis zur
zwölften Klasse Handarbeitsunterricht. Handwerkliche Tätigkeiten, das sind in den ersten
Jahren die Handarbeit und ab der fünften Klasse zusätzlich noch der Werkunterricht,
lassen das Vertrauen des Kindes in seine eigenen Fähigkeiten wachsen. Es sieht und
begreift unmittelbar, dass es durch Übung lernt. Das Kind lernt, sich zu konzentrieren.
Der Wille, das Durchhaltevermögen und die Ausdauer werden geschult, denn jedes
Werkstück braucht seine Zeit, bis es fertig ist. Und dadurch, dass wir darauf achten, mit
den Kindern Gebrauchsgegenstände herzustellen, das heißt Dinge, die im Leben eine
Bedeutung haben, kann das Kind Einfluss auf seine Umgebung nehmen.
Sinnvolle Gegenstände selber machen
In unserer technisierten Welt, in der man jeden Gegenstand kaufen kann, ist es für ein
Kind ein wunderbares, selbstwertförderndes Gefühl, etwas Sinnvolles, Brauchbares
selber hergestellt zu haben. Das Kind kann das Leben mitgestalten und trägt Schönheit
ins Haus und damit in sein eigenes Leben. Den Sinn für das Schöne und die Gestaltung
zu entwickeln ist ein weiteres Ziel des Unterrichtes.
Es wird auch fächerübergreifend gearbeitet, zum Beispiel wird Mathematik angewandt.
Es beginnt in der ersten Klasse mit dem simplen Abzählen von Maschen, über den
Dreisatz, den man zur Verarbeitung von Maschenproben braucht, bis hin zu
Kreisberechnungen in der Hutherstellung.
Bekleidung
Ein weiteres Motiv für den Handarbeitsunterricht, welches sich über mehrere Altersstufen
erstreckt, ist die Bekleidung, mit welcher sich der Mensch eine Hülle gibt. Es beginnt mit
Pulswärmern und Schal in der ersten Klasse, Mützen in der dritten Klasse, Schuhe in der
siebten Klasse bis hin zu Kleidungsstücken, die auf dem Laufsteg präsentiert werden
können, in der neunten Klasse, wo im Fach Schneidern eine Art Gesellenstück gefertigt
wird.
Bedeutung der Handarbeit
Der handwerklich künstlerische Unterricht steht an der Waldorfschule an prominenter
Stelle. An staatlichen Schulen ist in diesem Bereich schon seit Jahren ein rückläufiger
Trend zu beobachten. Dort ist die Handarbeit für Schülerinnen und Schüler zwar oft noch
zugänglich, aber in knapper Form und als Teilgebiet des Faches Werken, also das Basteln
mit Holz, Stoff und Papier.
Für das übende Element, das Wiederholen von neuen Lernschritten und die Koordination
von Hand und Auge in ausgeprägter Form ist die Handarbeit aber ein ideales
Schulungsfeld. Das Lernen über die Hände hat eine viel größere Bedeutung, als die
aktuelle Schulpraxis vermuten lässt. Wo, wenn nicht in den manuellen Fächern kann das
Zusammenwirken von Denken und Handeln erprobt werden! Ohne die Assistenz der
Hände müssen die meisten Entschlüsse, die wir fassen unausgeführt bleiben